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Projekt GECAM-NETZ
Die Gemeinde Nußloch hat sich zum Ziel gesetzt, die Gesundheitsförderung aller Nußlocher Bürger:innen in den Fokus zu stellen und zu optimieren. Dazu wurde im Jahr 2019 gemeinsam mit dem Center for Preventive Medicine and Digital Health (CPD, ehemals Mannheimer Institut für Public Health) das Projekt „Gemeindebasiertes Case-Management mit Primärversorgungsnetz mit sektorübergreifender multiprofessioneller Prävention und Frühintervention zum Erhalt von Teilhabe und Lebensqualität“, kurz GECAM-NETZ ins Leben gerufen. Das Projekt GECAM-NETZ (Laufzeit 01.10.2019 – 31.12.2022) wurde gefördert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg.
Ziel dieses Projekts war es, die Gesundheitsversorgung und die Gesundheitsbedarfe der Bürger:innen in Nußloch in den drei Lebensbereichen (Vorschul-)Kinder, Erwerbstätige und ältere Bürger:innen ≥ 65 Jahren 1) zu erfassen und 2) anhand von geeigneten Maßnahmen in Zusammenarbeit mit bestehenden Akteur:innen aus dem erweiterten Gesundheitsbereich zu fördern und somit eine ganzheitliche Gesundheitsstrategie für die Gemeinde Nußloch zu schaffen. Die gemeinsame Vernetzung der verschiedenen Akteur:innen stand ebenfalls im Vordergrund.
Was wurde in GECAM gemacht?
In den genannten drei Lebensbereichen wurden anhand von etablierten wissenschaftlichen Fragebögen Bedarfsanalysen durchgeführt und darauf basierend entsprechende Fördermaßnahmen abgeleitet und eingeführt.
1. Lebenswelt (Vorschul-)Kinder
In der Lebenswelt der Kinder stand eine frühzeitige Aufdeckung von Entwicklungsverzögerungen bei Kindergartenkindern und die Gewinnung eines frühzeitigen Verständnisses für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kinder der vierten Klassenstufe im Vordergrund. Basierend auf den identifizierten Förderbedarfen sollten passende Förder- und Unterstützungsangebote in den Kindergärten und Grundschulen eingeführt werden. Ein großes Ziel war hierbei, die in Nußloch vorhandenen Ressourcen zu bündeln und für die Förderung der Kinder kooperativ einzusetzen.
Insgesamt haben 66 % (59 Kinder) der Grundschulkinder der 4. Klassenstufe an den Befragungen teilgenommen. Die Kinder haben selbstständig den Entwicklungsfragebogen „Middle Years Development Instrument“ (MDI) (Human Early Learning Partnership. MDI-Middle Years Development Instrument, www.earlylearning.ubc.ca/mdi) auf einem Tablet/PC ausgefüllt. Der MDI ist ein Fragebogen, der auf der Selbsteinschätzung der Kinder beruht und ihre Gedanken, Gefühle und Erfahrungen im schulischen und nachbarschaftlichen Umfeld abfragt. Die Ergebnisse zeigten, dass 41 % der befragten Kinder über ein hohes Wohlbefinden berichteten, 30 % über ein mittleres und 29 % über ein niedriges Wohlbefinden. Darüber hinaus hat die Befragung gezeigt, dass 92 % der befragten Kinder ein hohes Zugehörigkeitsgefühl zu Gleichaltrigen empfinden sowie regelmäßig an organisierten Aktivitäten nach dem Unterricht am Nachmittag teilnehmen. 85 % der befragten Kinder berichteten über eine gute Beziehung zu Erwachsenen in der Schule, im Stadtteil und zu Hause. Im Hinblick auf Ernährung gaben nur 37 % der Kinder an, regelmäßige Mahlzeiten mit Erwachsenen zu Hause, wie z.B. Frühstück, einzunehmen. Zudem zeigten die Ergebnisse, dass im Bereich der Selbstregulation Förderbedarfe vorhanden sind.
Im Kindergarten wurde die Befragung insgesamt zwei Mal durchgeführt. Die zweite Befragung fand ca. 6 Monate nach der ersten Befragung statt, um zu überprüfen, ob die eingeführten Fördermaßnahmen nach der ersten Befragung erste Früchte getragen haben. Anders als in der Grundschule füllten im Kindergarten die Bezugserzieherinnen der teilnehmenden Kinder den Entwicklungsfragebogen für den Kindergarten (EKI) (Offord Center for Child Studies, McMaster University, Hamilton, Ontario, Canada) aus. Der EKI ist ein Erhebungsinstrument zur Erfassung der frühkindlichen Entwicklung welcher verschiedene Bereiche abdeckt. Er ist speziell für 3- bis 6-jährige Kinder entwickelt worden. Die Ergebnisse zeigten, dass im Bereich der körperlichen Gesundheit, der sozialen Kompetenz, der Sprache und kognitiven Entwicklung sowie im Bereich der Kommunikation und Allgemeinwissen etwas mehr als die Hälfte der Kinder über oder im oberen Durchschnittsbereich liegen. Im Hinblick auf die emotionale Reife und der Selbstregulationsfähigkeit lagen ca. Dreiviertel der beobachteten Kinder über bzw. im oberen Durchschnittsbereich. Die anderen Kinder lagen im unteren Durchschnittsbereich oder darunter.
Basierend auf den Ergebnissen wurde gemeinsam mit den verschiedenen Fachexpert:innen aus der Gemeinde für die Grundschul- und Kindergartenkinder Fördermaßnahmen entwickelt, welche gezielt auf die ermittelten Bedarfe abgestimmt wurden. Insgesamt erhielten 74 Kinder (davon 62 Kindergartenkinder) eine entsprechende Fördermaßnahme. Unter anderem ging die Gemeinde mit dem Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) Heidelberg eine Kooperation ein, bei dem ein Entwicklungspädiater direkt vor Ort in die Nußlocher Kindergärten kam. Weiterhin wurden durch Augenoptik Brille & Uhr Reidel (Volker Reidel) Augenscreenings bei den Grundschulkindern durchgeführt. Marlene Adam von der Ergotherapie Armbruster führte individuelle ergotherapeutische Behandlungen durch. Heilpädagogische Maßnahmen (Einzel- und Gruppentherapien) konnten durch die Heilpädagogin Petra Müller-Brehm durchgeführt werden. Zudem wurden verschiedene Schulungen für Lehrer:innen und Erzieher:innen in den entwicklungsauffälligen Bereichen von den beteiligten Therapeut:innen durchgeführt.
Um zu überprüfen, ob die eingeführten Fördermaßnahmen in den Kindergärten erste Früchte getragen haben, wurden in den Kindergärten ca. ein halbes Jahr nach der ersten Befragung die gleiche Befragung ein zweites Mal durchgeführt. Insgesamt nahmen 42 % (163 Kinder) an der zweiten Befragung teil. Das waren 12 % weniger als bei der ersten Befragung. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Kinder im Vergleich zur ersten Befragung in allen Domänen verbessert haben. So lagen im Bereich der körperlichen Gesundheit 81 % (Befragung 1: 69 %), der sozialen Entwicklung 75 % (Befragung 1: 73 %), der emotionalen Reife 81 % (Befragung 1: 76 %), der Selbstregulationsfähigkeit 77% (Befragung 1: 75 %), der Sprache und kognitiven Entwicklung 88 % (Befragung 1: 69 %), sowie der Kommunikation und Allgemeinwissen 81 % (Befragung 1: 72 %) über bzw. im oberen Durchschnittsbereich. Die anderen Kinder lagen im unteren Durchschnittsbereich oder darunter.
2. Erwerbstätige
In der Lebenswelt der Erwerbstätigen wurden zunächst nur die Mitarbeitenden der Gemeinde bezüglich ihres Gesundheitszustandes befragt. Anhand des digitalen Fragebogens konnte schnell der Gesundheitszustand, im Speziellen die muskuloskelettale und psychische Gesundheit, erfasst werden. Durch das direkte Feedback nach dem Ausfüllen der Fragen erhielten die Mitarbeitenden direkt ein Ergebnisbericht zu ihrem Gesundheitszustand. Bei auffälligen Ergebnissen im Bereich der muskuloskelettalen und psychischen Gesundheit wurde von der Gemeinde ein direkter und niederschwelliger Zugang zu Präventionsmaßnahmen angeboten
Insgesamt nahmen an der ersten Befragung 32 Mitarbeitende (50 % der eingeladenen Personen) und an der zweiten Befragung 17 Mitarbeitende teil. Insgesamt nahmen mehr weibliche als männliche Mitarbeitende an den Befragungen teil. Um den allgemeinen Gesundheitszustand zu erfassen, wurden Fragen zum Wohlbefinden, Rauch- und Ernährungsverhalten, Schlaf sowie zur muskuloskelettalen und psychischen Gesundheit gestellt.
Basierend auf den Angaben wurden zwei verschiedene therapeutische Maßnahmen abgeleitet und den Mitarbeitenden in der Gemeinde angeboten. So wurde eigens für die Mitarbeitenden der Gemeinde ein physiotherapeutisches Angebot eingerichtet. Das physiotherapeutische Gruppentraining wurde im Ratssaal des Rathauses über die Mittagszeit von drei Physiotherapeut:innen (Frank Schmid, Physioconcept; Carmen Lott, selbstständige Physiotherapeutin; Daniela Völker, ZAP Fitness & Prävention Racket Center) in Kleingruppen angeboten, sodass alle Mitarbeitenden die Möglichkeit hatten das Angebot wahrzunehmen. Dies ermöglichte den Mitarbeitenden eine hohe Zeitersparnis sowie einen direkten Zugang zu hochwertigen therapeutischen Maßnahmen, ohne den Umweg über eine ärztliche Verschreibung und damit verbundenen langen Wartezeiten auf einen freien Termin.
Die zweite eingeführte Maßnahme konzentrierte sich auf die mentale Gesundheit. Hierfür stellte die Gemeindeverwaltung allen Mitarbeitenden ein Online-Trainingsprogramm von HelloBetter zur Verfügung. HelloBetter zählt zu den führenden Anbietern digitaler Medizinprodukte für mentale Gesundheit (www.hellobetter.de). Durch dieses Online-Angebot hatten die Mitarbeitenden die Möglichkeit eine schnelle und vor allem anonyme Hilfe in Bezug auf ihr mentales Wohlbefinden zu erhalten und somit ihre mentale Gesundheit selbstständig zu verbessern.
Um die Gesundheitsversorgung für alle Bürger:innen in Nußloch zu verbessern, ist eine Erweiterung auf die Gesamtbevölkerung notwendig.
3. Bürger:innen ≥ 65 Jahren
Ziel der Gesundheitsbefragung der Bürger:innen ≥ 65 Jahren war es, den Gesundheitszustand im Hinblick auf Alltagsfunktion, Mobilität, psychische Gesundheit und soziale Situation zu erfassen. Diese Informationen sind wichtig, um in einem nächsten Schritt passende gesundheitsbezogene Maßnahmen für die Bürger:innen ab 65 Jahren abzuleiten und im Nachgang in der Gemeinde mit Fachexpert:innen anzubieten. Über die Gesundheitsbefragung berichtete am 24.11.2021 zudem die Rhein-Neckar-Zeitung. Neben der Identifizierung des Gesundheitszustandes stand auch die Frage der Machbarkeit einer digitalen Fragebogenerhebung in dieser Alterskohorte im Vordergrund.
Insgesamt nahmen 194 Bürger:innen (8,7 % der angeschriebenen Personen) an der digitalen Gesundheitsbefragung teil. Das mittlere Alter der Teilnehmenden betrug 71 Jahre. Insgesamt nahmen mehr männliche (60 %) als weibliche (40 %) Bürger:innen an der Befragung teil.
Die Befragung zeigte, dass die teilnehmenden Bürger:innen
- eine überdurchschnittlich gute Lebensqualität im Bereich der Rahmenbedingungen des täglichen Lebens, der psychischen und körperlichen Gesundheit sowie den sozialen Beziehungen aufweisen.
- im Schnitt 3 Medikamente einnehmen, was auf ein geringes Risiko der Multimedikation hindeutet.
- im Schnitt minimale bis leichte Anzeichen einer Depression aufweisen.
- im Schnitt über ein niedriges Schmerzniveau und ein hohes Wohlbefinden verfügen.
- im Hinblick auf die Versorgung, Mobilität und den Tätigkeiten des alltäglichen Lebens sehr selbstständig sind.
- im Schnitt bei der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben geringe Einschränkungen aufweisen.
- eher ein höheres Sturzrisiko haben.
Die Befragung zeigte zudem, dass 61 % der Befragten in Bezug auf ihre Altersgruppe mit der Gesundheitsversorgung/dem Gesundheitsangebot in Nußloch zufrieden sind, 39 % sind teils, teils oder unzufrieden. Vor allem im Bereich der fachärztlichen Versorgung wünschten sich die Befragten eine Verbesserung. So gaben 78 Personen an, dass ihnen im Bereich der Gesundheitsversorgung Fachärzt:innen fehlen würden.
Bei der Frage, was in Nußloch angeboten werden sollte, um das Leben für Bürgerinnen und Bürger über 65 Jahren angenehmer und attraktiver zu gestalten, wurden am häufigsten folgende Punkte genannt:
- Kulturelle Veranstaltungen/Angebote (56 Nennungen)
- Mehr Ruhebänke (54 Nennungen)
- Zentrale Anlaufstelle für gesundheitliche Belange (49 Nennungen)
- Mobile medizinische Dienste (42 Nennungen)
- Bewegungsangebote (39 Nennungen)
Zusammenfassend hat die Befragung gezeigt, dass die Gesundheit der teilnehmenden Bürger:innen im Durchschnitt gut ist. Optimierungsbedarf wurde vor allem im Bereich der gesundheitlichen, kulturellen und sozialen Versorgung gesehen.
Fazit
Das Projekt GECAM-NETZ hat erste Grundsteine für eine übergreifende und vernetzte Gesundheitsstrategie für die Gemeinde Nußloch gelegt. Es konnte gezeigt werden, wie wertvoll und wichtig ein schneller und niederschwelliger Zugang zu therapeutischen Fördermaßnahmen ist und dass diese akut auftretenden Probleme durch die eingeführten Maßnahmen als Überbrückung zu weiterführenden Gesundheitsmaßnahmen erste Früchte getragen haben. Diese Grundsteine gilt es nun auch nach Projektende 1) aufrechtzuherhalten und 2) weiter auszubauen.
An dieser Stelle möchten wir uns bei allen mitwirkenden Akteur:innen aus der Gemeinde herzlich bedanken, ohne sie wäre die erfolgreiche Durchführung des Projekts in dieser Form nicht möglich gewesen. Zudem danken wir dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, welches das Projekt finanziell gefördert hat.
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